Trauma ist nicht nur das EINE grosse Ereignis – was viele nicht wissen
Wenn wir das Wort Trauma hören, denken viele an Katastrophen: einen schweren Unfall, Gewalt, Krieg, Missbrauch. Das eine, grosse, furchtbare Ereignis – laut, schockierend, lebensverändernd. Und ja, das ist Trauma. Aber es ist nicht das Einzige.
«Das war doch gar nicht so schlimm …» – aber Trauma ist eben nicht immer laut.
Was viele nicht wissen: Trauma kann auch leise sein. Still. Schleichend. Es kann in Nebensätzen stecken, in Blicken, in dem, was nie gesagt wurde. Es kann sich über Jahre ansammeln. Klein, fast unsichtbar – und doch tief wirksam.
In meiner Arbeit erlebe ich oft, dass Menschen sich fragen: «Darf ich das überhaupt Trauma nennen? So schlimm war es doch nicht, das ist doch kein Trauma…» In diesem Artikel möchte ich Licht auf das werfen, was oft im Schatten liegt.
Großes T – kleines t
In der Psychologie spricht man manchmal von «Big T»-Trauma und «small t»-Trauma:
Big T: schwere Unfälle, Gewalt, Missbrauch, lebensbedrohliche Situationen
small t: ständige Kritik, emotionaler Rückzug, Mobbing, Nicht-Gesehenwerden, Trennungen
Mikroverletzungen – wenn das Leben kleine Risse hinterlässt
«Stell dich nicht so an.»
«Du bist aber empfindlich.»
«Sei brav – sonst lieb ich dich nicht mehr.»
«Was sollen denn die Leute denken?»
«Jetzt heul nicht – das war doch nur Spass.»
«Indianer kennen keinen Schmerz.»
«Männer weinen nicht.»
«Du musst hart arbeiten, um erfolgreich zu sein.»
«Das schaffst du eh nicht.»
Sätze wie diese hören Kinder oft. Vielleicht auch du. Und wenn sie immer wiederkommen – verbunden mit Scham, Ablehnung oder emotionaler Kälte – dann beginnen sie, sich im Körper und Nervensystem einzubrennen. Sie formen unsere Sicht auf uns selbst und die Welt. Nicht mit einem grossen Knall, sondern in vielen kleinen Momenten, die etwas in uns festfrieren lassen.
Was ist ein Entwicklungstrauma?
Ein Entwicklungstrauma entsteht nicht durch ein einmaliges Ereignis, sondern durch wiederholte Erfahrungen, bei denen sich ein Mensch – meist schon als Kind – nicht sicher, gesehen, gehört oder gehalten fühlt.
Es geht um emotionale Mangelerfahrungen, Vernachlässigung, ständiges Funktionieren-Müssen, Rollenvertauschung oder subtilen Druck, bestimmte Erwartungen zu erfüllen.
Das Gemeine daran: Viele Betroffene wissen gar nicht, dass sie ein Trauma erlebt haben. Denn es «sah doch alles ganz normal aus». Kein Drama. Keine offensichtliche Gewalt. Und doch: ein tiefer Schmerz, der nie gesehen wurde.
Ein Trauma ist nicht das, was passiert ist. Es ist das, was in uns passiert, wenn wir etwas erleben, das wir emotional nicht verarbeiten konnten. Es geht dabei nicht um das Ereignis an sich, sondern um das Gefühl von: «Ich bin hilflos. Ich bin allein. Ich bin überfordert.» Wenn unser Nervensystem keine Möglichkeit hatte, sich sicher zu regulieren, kann es sein, dass diese Erfahrung «stecken bleibt» – emotional, körperlich, energetisch.
Warum viele ihre Verletzungen abtun
«Das war doch bei uns allen so.»
«Ich hatte doch eine schöne Kindheit.»
«Anderen geht’s viel schlimmer.»
«Ich übertreibe wahrscheinlich.»
Solche Sätze sind weit verbreitet. Dahinter steckt oft Schutz: Wenn wir das Ausmass unserer Verletzungen ernst nehmen würden, müssten wir vielleicht auch erkennen, dass wir Hilfe gebraucht hätten – und sie nicht bekommen haben.
Aber: Schmerz ist immer individuell.
Dein Nervensystem entscheidet, was zu viel war – nicht dein Verstand. Wenn etwas dich dauerhaft belastet, triggert, lähmt oder verunsichert, dann darf das gesehen werden. Ganz ohne Vergleich mit «grösserem» Leid.
Wie sich «kleine» Traumata zeigen
Chronische Anspannung, selbst im Urlaub
Perfektionismus oder ständiges «Ich muss funktionieren»
Schwierigkeiten mit Nähe oder Vertrauen
Überreaktionen auf Kritik
Emotionale Taubheit
Selbstzweifel, innerer Druck, das Gefühl «nicht genug» zu sein
Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen
ständiges Bedürfnis nach Bestätigung
Überforderung im Alltag
starke emotionale Reaktionen auf scheinbar «kleine Dinge»
Angst vor Ablehnung oder Konflikten
Selbstkritik oder Unsicherheit
All das kann die Folge früherer Prägungen sein – ganz ohne «grosses Drama».
EMDR und Coaching: Raum für das, was nicht gesehen wurde
Viele meiner Klient:innen kommen zu mir mit dem Gefühl: «Irgendwas stimmt nicht – aber ich kann’s nicht greifen.» Und oft zeigt sich im Laufe des Prozesses: Da war sehr wohl etwas. Nicht laut. Aber prägend.
EMDR ist dabei eine wunderbare Methode, um genau diese unbewussten oder abgespeicherten Erlebnisse sanft und wirkungsvoll zu verarbeiten. In Kombination mit Coaching entsteht ein Raum, in dem deine Geschichte nicht bewertet, sondern gehört und gehalten wird – genau so, wie sie war.
Du musst nichts «Grosses» erlebt haben, um Unterstützung zu verdienen. Dein Schmerz ist gültig. Und Veränderung ist möglich – leise, sanft, Schritt für Schritt.
Du musst es nicht «verdient» haben, Hilfe zu bekommen
Wenn du das Gefühl hast, dass dich etwas belastet, zurückhält oder innerlich eng macht, dann darfst du dem nachgehen. Nicht erst, wenn es «schlimm genug“ ist. Nicht erst, wenn du «zusammenbrichst». Sondern jetzt.
Du musst kein grosses Trauma erlebt haben, um ernst genommen zu werden oder um Unterstützung zu verdienen. Und du musst nicht «kaputt» sein, um dich auf den Weg zu machen. Dein Schmerz ist gültig. Und Veränderung ist möglich – leise, sanft, Schritt für Schritt.
Fazit: Trauma ist nicht nur das eine grosse Ereignis –
manchmal ist es das, was leise war.
Es sind oft die feinen Risse, die uns prägen. Die kleinen Wunden, die wir nicht zeigen durften. Aber: Alles, was nicht gesehen wurde, darf jetzt gesehen werden. Alles, was dich verletzt hat, darf jetzt verarbeitet werden. Und alles, was du bist, darf genau so da sein.
Lust, mehr darüber zu erfahren?
Schreib mir gern – ich begleite dich mit Herz, Tiefe und Klarheit. Du musst es nicht allein schaffen.
Alles Liebe,
Mareike